PS:

Drei Fragen (13): Peppe

Um mich vom Abschiedsschmerz abzulenken, habe ich kurz vor meiner Abreise Peppe interviewt. Dafür sind Haustiere schließlich da.

Biographische Angaben kann ich aus Vogelschutzgründen nicht machen, nur so viel: Peppe stammt aus Sizilien. Und einem wie Peppe braucht man nicht mit drei Fragen kommen. Einem wie Peppe muss man alle Fragen stellen. Heimlich!

Peppe, wie hat es dir denn in Rijeka gefallen?

Wo? Wo?

In Rijeka?

Was ist das? Was ist das?

Äh, die Stadt, in der wir fast ein halbes Jahr waren? Und sag doch nicht alles zweimal, das haben wir dir doch abgewöhnt …

Wenn du dich nicht um mich kümmerst, entwickle ich mich eben zurück. Zurück! ZURÜCK!

Was?!

Ja, glaubst du, ich weiß, wo wir waren, wenn du mich in eine dunkle Tasche steckst und nach 24 Stunden, in denen ich fast erstickt wäre, auf einen Tisch stellst UND DANN FÜNF MONATE STEHEN LÄSST?

Du warst doch auch manchmal auf dem Balkon … Außerdem musste ich eben viel arbeiten!

Na klar, certo! Du hast doch immer nur am Schreibtisch gehockt und über deine eigenen Witze gelacht!

Das stimmt nicht.

Stimmt wohl! Stimmt wohl! Manchmal hast du sogar in der Badewanne gelacht! IN DER BADEWANNE!

Ich muss mich ja waschen. Und manchmal entspannen …

Was machst du da eigentlich mit deinem Telefon? Zeichnest du das etwa auf?!

Ich wollte dich halt mal interviewen …

Ah ja? Dann hast du es hier offiziell: SO hatte ich mir das nicht vorgestellt, als du gesagt hast, du wirst Stadtschreiberin in Kraotien!

Kroatien

Ist doch egal! Ist doch egal!

Was hast du dir denn bitte vorgestellt?!

Dass wir A-L-L-E-S zusammen machen! Menschen interviewen, Konzerte sehen, Ausstellungen besuchen, eine Möwe für mich finden!

Also, ich konnte ja wohl schlecht mit einem Plastikpapagei durch die Gegend laufen, die hätten mich doch alle für verrückt gehalten!

Hartplastik. Und du bist ja auch verrückt! Außerdem ist ja wohl egal, was die anderen denken. Und noch außerdemer hast du immer geschrieben, dass die hier alle so taleront sind!

Tolerant … Du hast also meinen Blog gelesen?

Klar, hatte ja den ganzen Tag nichts zu tun …

(Irgendwie kauf ich ihm das nicht ab. In Berlin hing er immer mit den Krähen rum, kam manchmal völlig zerfleddert um drei Uhr morgens heim.)

Ich dachte, du freundest dich vielleicht mit den Möwen an?

Die verstehen mich nicht.

Habt ihr Vögel nicht so eine universelle Standardsprache?

Che cazzo! Einen Scheiß haben wir! Alles Nationalisten.

Aber die Möwen hier, die hätten doch bestimmt Italienisch verstanden?

Che cazzo! Einen Scheiß tun die! Und du hast immer geschrieben, dass das hier früher mal Italien war! 

War es ja auch!

In der Steinzeit vielleicht!

Ach, Peppe, das tut mir alles leid! Wir suchen dir für heute Abend noch einen Vogel, der Italienisch kann. Muss ja nicht gleich eine Möwe sein. Vielleicht versuchen wir’s mit einer Taube?

Ich hasse Tauben! Ich hasse Tauben! Vaffanculo!

Du fluchst schon wieder wie eine sizilianische Mamma! Muss das sein?

Sì. Muss sein.

Aber du kennst die Tauben hier doch gar nicht. Guck mal, die Zerrupfte da hinten, die sieht so einsam aus, die würde sich bestimmt freuen, wenn so ein hübscher Papagei wie du …

Eh, dauert das hier eigentlich noch lange?

Was?

Unser Gespräch … ich muss dann los … presto … prestissimo!

Was?! Du lässt mich an meinem letzten Abend allein? Aber du bist mein Haustier!

Ha, hast du wirklich geglaubt, ich hab den ganzen Tag in der Wohnung gewartet und mir die Flügel geputzt, während du die Stadtschreiberin gespielt hast? Ich kann inzwischen besser Kraotisch als du!

Das glaub ich jetzt nicht!

Ali istina je!

Was?!

„Es stimmt aber“ auf Kraotisch.

Kroatisch!!

Ma, dai! Komm schon! Du immer mit deinen ganzen Details … Ich seh lieber das große Ganze. Von oben, eh? Deswegen bin ich ja ein Vogel! Un ucello!

(Wie er auf dem Balkongeländer thront und die Möwen über ihm kreisen, als würden sie nur auf ihn warten. Tun sie wahrscheinlich auch.)

Aber was machst du denn gleich noch?

Erst Aperitivo mit dem Kulturchef, dann Lasagne mit dem Bürgermeister.

DU triffst den Kulturchef?!! Den hab ja nicht mal ICH getroffen in all der Zeit!

Weil du immer alles per E-Mail gemacht hast. Da haben die hier keinen Bock drauf! Ich bin einfach ans Fenster geflogen und hab so lange mit dem Schnabel gegen das Glas gehackt, bis die Leute aufgemacht haben …

Waren die dann nicht böse?

Nö, die meisten haben sich gefreut, dass sie mal was anderes gesehen haben als diese ganzen Psycho-Möwen!

(Er schaut nach oben.)

Žao mi je, dečki!

(Jetzt wieder zu mir.)

Das heißt Sorry Jungs! Jedenfalls hab ich zur Sicherheit immer eine Flasche Pelinkovac dabei gehabt!

Keinen Limoncello?

Wir sind hier in Kraotien, nicht in Sizilien, mola draga …

Moment das hab ich schon mal gehört, was heißt das nochmal?

Meine Liebe auf Kraotisch. Du hättest echt die Sprache besser lernen können!

Hab ich doch …

Die Sprache, nicht die Schimpfwörter! Doviđenja!

(Er breitet die Flügel aus.)

Stopp! Peppe!

Dimmi, dimmi! Was denn noch? Was denn noch?

Du kommst aber wieder, oder?

Ma certo, bin doch dein Haustier! CIAO!

(Und er kam auch wieder.)

Seit wir zurück in Berlin sind, sehe ich allerdings gar nichts mehr von ihm.

Er hat angefangen, den Krähen auf dem Dach gegenüber Kraotisch beizubringen. Und er erzählt allen, er war Stadtschreiber!

In: Rejika.

Angeblich arbeitet er sogar schon an einem Roman über die Stadt …

Was soll man da sagen?

Lieber noch ein Song von der kroatischen Jazzsängerin Vesna Pisarović, auf die ich im Sommer bei einem Konzert gestoßen bin und die in Berlin lebt. Ihre Songs bringen mir nun im Herbst ein bisschen Rijeka an den Schreibtisch.

Und den Lesern vielleicht auch.

Danke an alle für das Interesse und die vielen Kommentare – HVALA!

6 Gedanken zu „PS:“

  1. Liebe Frau Strahl,
    ich habe all ihre Einträge gelesen, und die vielen schönen Bilder genossen.
    Ich werde diesen blog sehr vermissen, es war immer ein Vergnügen(so wie dieser Eintrag!!) ihre Berichte zu lesen, ich habe auch viel von ihnen gelernt.
    Ihnen alles Gute, vielleicht schreiben sie doch noch den einen oder anderen Beitrag:-) !!
    Oder man hört andersweitig von Ihnen…!
    Sabine

  2. witzig und amusant! Peppe ist ein echtes Plappermaul und Alex eine dufte stadtschreiberin!
    Weiter so und Rijeka gewinnt immer mehr an Profil

  3. Der Eintrag stimmt traurig und fröhlich zugleich! Ich hoffe, dass Peppe seinen „Endwurf“ vollendet und einen Roman über sein „Rejika“ schreibt, vielleicht sogar auf „Kraotisch“. Dieser Peppe hatte doch bestimmt einen speziellen Draht zu Koki, zum Kakadu auf Titos Insel?
    Danke, liebe Alex, für die fünf Monate! Auch ich werde Deine Einträge – wie Sabine schreibt – vermissen.
    Danke für die poetischen Augenblicke, die Du mir zwischendurch beschert hast!

  4. Liebe Alex, der Blog war einfach wunderbar und ich werde ihn sehr vermissen! Der Abschluss mit der genialen Fotoserie und dem Interview mit dem wohl durchgeknalltesten Haustier ever, finde ich perfekt!!
    Ganz liebe Grüße nach Berlin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert