Eine Stadt ist nichts ohne ihre Bewohner — und ich möchte von den Menschen in Rijeka wissen: Lesen sie Bücher zu Ende, die ihnen nicht gefallen? In welchem Restaurant gehen sie mit ihrer Mutter essen? Und wo würden sie in Rijeka jemanden küssen? Einzige Regel der regelmäßigen Drei Fragen: Keine Frage taucht zweimal auf. Das Motto der Kulturhauptstadt lautet schließlich Hafen der Vielfalt.
Auf Damir Steinfl (43) bin ich über das Projekt comiXconnection gestoßen, das in Berlin im Museum für Europäische Kulturen noch bis Sommer 2021 zu sehen ist. Die Ausstellung spürt der hierzulande eher unbekannten Comic-Szene Südosteuropas nach. Zu sehen sind Werke von Künstlern aus Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien & Herzegowina sowie Ungarn und Rumänien.
Als ich erfuhr, dass einer der beteiligten Künstler in Rijeka geboren ist und im nahen Opatija lebt, habe ich ihn angeschrieben und gefragt: Wenn Rijeka ein Comic wäre – mit welchem Bild würde dieser Comic anfangen?
Das Schöne: Damir Steinfl hatte längst einen Comic über Rijeka gezeichnet! Was ich nicht wusste. Und noch schöner: Dieser Comic dreht sich um einen Vogel.
Aufmerksame Leser wissen seit meinem Rijeka-ABC, dass im Stadtwappen Rijekas ein Adler mit zwei Köpfen zu sehen ist. Und mit diesem Adler – ein Erbe der Habsburger Monarchie – haben sich zum Kulturhauptstadtjahr gleich drei Comic-Zeichner in jeweils einem eigenen Buch beschäftigt, darunter Steinfl.
Hintergrund war die Rückkehr des zweiköpfigen Adlers auf die Kuppel des Stadtturms von Rijeka. Der ursprünglichen Skulptur hatten italienische Soldaten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einen der beiden Köpfe abgeschlagen – aus Hass gegen die Habsburger. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand der Adler ganz, bis 2017 eine Replik des kroatischen Bildhauers Hrvoje Uremović auf dem Turm angebracht wurde.
Hier nun das Interview mit Damit Steinfl:
Wenn Rijeka ein Comic wäre – mit welchem Bild würde dieser Comic anfangen?
Mit dem Stadtturm oder dem Stadtwappen – dem zweiköpfigen Adler wie ich ihn in diesem Streifen gezeichnet habe. Übrigens mag ich die Begriffe Comics oder Comicstreifen nicht, weil sie zu suggestiv sind.
Die Legende des zweiköpfigen Adlers spielt also in Rijeka. Für den Erzählstrang ist es gut, dass der Adler ein wiedererkennbarer Charakter ist und seine beiden Köpfe nach rechts gedreht sind, so dass er ganz einfach durch die einzelnen Bilder laufen kann, von links nach rechts.
Ich könnte aber auch mit dem Hafen oder dem Fluss anfangen, wenn es um einen Comic über Rijeka geht. Es käme wohl auf die Geschichte an.
So sieht das Cover von Steinfls Buch rund um Rijekas Stadtwappen aus:
Ist es einfacher etwas Hässliches zu zeichnen oder etwas Schönes?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, das ist nicht leicht zu beantworten. Was macht eine Zeichnung schön? Das Motiv und/oder die Zeichenkunst? Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Ich würde aber sagen, vielleicht ist es wirklich schwerer, etwas Schönes zu zeichnen. In jedem Fall ist das Schwerste, überhaupt „exzellent“ zu zeichnen – egal wie schön ein Motiv ist.
Haben Sie einen Lieblingscomic und wenn ja, welchen?
Es ist nicht leicht da einen Favoriten zu nennen. Ich lese gerne verschiedene: von kroatischen und ausländischen Künstlern, darunter Comics aus der amerikanischen Undergrundszene, von italienischen Zeichnern, aus der französisch-belgischen Schule oder solche, die man am Kiosk kaufen kann. Autorencomics können sehr interessant sein (nicht alle natürlich), weil sie unterschiedliche Themen und Zeichenstile zulassen, im Gegensatz zu solchen, die für eine bestimmte Nische produziert werden.
Das Interview haben wir schriftlich und auf Englisch geführt, ich habe Steinfls Antworten für den Blog übersetzt. Steinfl findet übrigens nicht, dass man ihn auf der Straße erkennen muss. Statt eines Fotos von sich hat er lieber seine Strips geschickt. Unten ein Beispiel mit kroatischem Text. Auf seinem Blog gibt es auch Bilder mit englischer Übersetzung.
Nochmal zurück zum Projekt ComiXconnection. Es entstand 2013 und ist seitdem durch die Länder der beteiligten Künstler getourt, auch mit dem Ziel, dass sich die Szene untereinander besser vernetzt. Kuratorin Beate Wild findet, man könnte den Comic als Medium viel stärker nutzen. Aus einem Interview:
Ich sähe es gern, wenn Comics in andere Bereiche vordringen, etwa in Schulbücher. Da könnten sie eine wesentlich höhere Speicherbereitschaft erreichen als herkömmliche Bücher. Die Kombination aus Wort und Bild kommt den heutigen Sehgewohnheiten von Kindern entgegen. Wertvoll können Comics auch dort sein, wo Worte fehlen. Ein Beispiel sind traumatisierte Kriegskinder, die ihre Erlebnisse zeichnen und sie so besser verarbeiten.
Zum Stellenwert von Comics in den Ländern der beteiligten Künstler sagte sie:
Im ehemaligen Jugoslawien haben Comics schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle gespielt. Auch Tito mochte sie und hat das Genre später nicht unterdrückt. Kommerzielle Serien konnten sich gut am Markt halten. Eine alternative Szene entwickelte sich vor allem in den 1990ern. Viele der Künstler haben eine technisch hervorragende Ausbildung und machen noch Plakate, Wandmalereien, Graffiti und andere Street Art. Sie sind sehr präsent.