Heute vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Einen passenderen Lektüretipp als dieses verstörende Buch der kroatischen Schriftstellerin Daša Drndić (1946-2018) kann ich an diesem Tag nicht geben:
Worum geht es?
Drndić, die neben ihrem eigenen Schreiben Englische Literatur an der Universität Rijeka unterrichtet hat, erzählt in der Dokufiktion die (erfundene) Geschichte der Jüdin Haya Tedeschi in Norditalien, die nach einer Affäre ein Kind von dem SS-Offizier Kurt Franz bekommt (den gab es wirklich). Das Kind wird Haya kurz nach der Geburt gestohlen, ihr ganzes Leben sucht sie nach ihm. Haya überlebt den Holocaust. Und ihr kleiner Sohn? Wurde Teil des „Lebensborn“-Programms der Nazis („arische Kinder“ wurden Frauen aus überfallenen Ländern gestohlen, um sie an Deutsche zu vermitteln).
Erzählt wird die Geschichte in Rückblenden rund um den Holocaust und das Leben von Hayas Familie in Gorizia und Triest an der italienisch-slowenischen Grenze. Die englische Ausgabe des Buches heißt „Trieste“ — in der Nähe der Hafenstadt befand sich ein KZ, die Nazis betrieben es in San Sabba in einer ehemaligen Reisfabrik. (Heute ist darin ein Museum.)
Was Drndićs Buch so eindringlich macht: Sie schiebt immer wieder Biographien, Verhörprotokolle, Fotos und Interviews ein. Von Überlebenden. Von Tätern. Und auf 40 Seiten sind nur Namen zu lesen: die der 9000 Juden, die aus Italien deportiert wurden oder in Italien oder in den von Italien besetzten Ländern getötet wurden.
Ich habe das Buch ein paar Mal weglegen müssen, bevor ich weiterlesen konnte.
Eine Kritikerin der Financial Times schrieb:
It makes you groan with despair, and you feel yourself going mad as you read it. I have seldom read any book that made me more achingly unhappy. It is a masterpiece.
Ein Gedanke zu „Zum 8. Mai — Daša Drndić“